Es existiert eine beachtliche Zahl an Klavierliedern bedeutender Komponisten –
und es stellt sich die Frage:
Wo sind diese Lieder im Konzertalltag heute noch zu erleben?
Nun, man muss schon fleißig suchen, um heute noch den LIEDERABEND, der einst eine Institution im Konzertleben war, zu entdecken.
Mir persönlich ist die Gattung im Konzertwesen zu unterrepräsentiert und dem versuche ich Abhilfe zu schaffen:
- durch originelle Programme, die Bekanntes mit Unbekanntem mischen
- durch Themenabende, die sich an Dichtern oder Inhalten orientieren;
- indem ich Komponisten, die nicht unbedingt als Liedkompnist gelten, anhand ihrer Lieder portraitiere;
- indem ich Vergessenes ausgrabe und wieder zur Diskussion stelle.
Denn genau darin liegt für mich die Qualität des Liedes: durch seine Ursprünglichkeit ein Konzert wieder zum emotionalen Erlebnis werden zu lassen.
Das Lied – emotionale Essenz
Ein Lied – das ist eine Oper im Miniformat, eine Tragödie in drei Minuten oder eine Komödie in zwei. Die Gattung ist immens vielfältig und subsumiert von seiner zeitlichen Ausdehnung her Extreme: es erstreckt sich von einer Hugo Wolfschen Minitatur von 30 Sekunden bis zu einer ausladenden Ballade von Carl Loewe von bis zu 30 Minuten Länge.
„Das Lied muss vom Sockel“
Um dem Lied wieder seinen ihm gebührenden Platz im Kulturwesen einzuräumen, müssen Hemmschwellen und Berührungsängste von Seiten des Publikums abgebaut werden – und dafür bedarf es meiner Meinung nach der „Entintellektualisierung“ des Liedes!
Das heißt, jener Überbau von intellektueller Interpretation muss zurückgeschraubt werden zugunsten eines musikantischen und natürlichen Liedvortrags.
„Das Lied muss vom Sockel“ wie Thomas Quasthoff kürzlich in einem Interview verlauten ließ. Statt Anbetung also ist Unmittelbarkeit gefragt.
Das Gesprächskonzert
Ich habe dafür die Form des Gesprächskonzerts für mich entdeckt und vermittele als studierter Musikwissenschaftler Hintergründe zu den Liedern, ihrer Entstehung, ihrer Struktur und vor allem: ihrer Aussage.
Dabei geht es mir nicht darum, eine musikwissenschaftliche Vorlesung zu halten, sondern geleitet werde ich von einer Vision – einer Vision, die Eduard Traweger, der Sohn eines Verehrers von Franz Schubert, anlässlich eines Konzerts von Schubert und seines Sängers Michael Vogl wie folgt in Worte fasste:
„Solche Kompositionen, so vorgetragen, mussten die Empfindungen zum Ausbruch bringen, und war das Lied zu Ende, so geschah es nicht selten, daß die Herren sich in die Arme stürtzten, und das Übermaß des Gefühls in Tränen sich Bahn brach.“